11. bis 17. Jahrhundert - Spätmittelalter und Neuzeit

Unter dem Krummstab der Abtei St. Maximin

In dieser im Frühjahr 1000 in Ingelheim am Rhein ausgestellten Urkunde heißt es wörtlich: ”in quadam villa Billiche dicta, ad sancti Maximini pertienent, in pago quoque Muselgovi et in comitatu Becelini comitis sita.“ also ”in der Ortschaft, die Billiche genannt wird, der Abtei Sankt Maximin gehört und im Moselgau in der Grafschaft des Grafen Becelin gelegen ist.“ Diese Verleihung spricht dafür, dass dieses „Billiche“ ein stattlicher Ort war, der sicher schon lange mit seinen Häusern und Grundstücken im Besitz der auf die Spätantike zurückgehenden vermögenden Trierer Abtei war. Kaiser Heinrich III. (1017-1056) bestätigt 1056 der Abtei St. Maximin das oben genannte, von Kaiser Otto III. verliehene Privileg mit genau derselben Ortsbezeichnung. Auf dem Wochenmarkt, der donnerstags abgehalten wurde, konnten die „Billicher“, sie waren Hörige, also abhängige bäuerliche Pächter auf klostereigenen Acker- und Weinbergsflächen, den nach Abgaben und Eigenbedarf restlichen Ertrag aus Ackerbau und Viehzucht verkaufen. Der Wochenmarkt hat rd. 350 Jahre bestanden bis Herzog Wenzel I. (1353-1383) ihn zugunsten des Marktes in Grevemacher aufgelöst hat.

 

Die Klöster -so auch St. Maximin- hatten in ihren Urbaren, den Güterverzeichnissen bis ins Einzelne gehend ihren Besitz an Ländereien, Häuser, Kirchen und Rechten und die davon ihnen zustehenden Abgaben, aus den Zehnten aufgelistet. Für die polizeilichen Aufgaben vor Ort verpflichteten sie gegen ansehnliche Vergütungen weltlichen Adeligen als Schutzvögten. Für die ausgedehnten St. Maximiner Besitzungen im Luxemburger Land waren das die Grafen und späteren Herzöge von Luxemburg, die ließen sich hier an der Sauermündung anfangs von ihrem Justiziar von Grevenmacher vertreten, bis die Herren (Ritter) von Berburg sich in diese Rolle drängten. In unserem Falle haben wir noch eine besondere Urkunde aus den 1040er Jahren, die das schwierige Verhältnis der „Billicher“ zu ihrem klösterlichen Grundherrn -dessen Abt sie den Treueid geleistet hatten- detailliert schildert. Sie wurde früher von den Historikern „Verordnung über die Leistungen der Maximiner Colonen zu Wasserbillich“ genannt. Verfasser ist der gestrenge St. Maximiner Abt Poppo, der den Ort allerdings nicht „Billiche“ sondern „Biliacus“ nennt. Billiche/Biliacus umfasste die heutigen Wasserbillig, Wasserbilligerbrück und Oberbillig. Nach Rücksprache mit dem durchlauchtigsten Herzog Heinrich (von Luxemburg), als „advocatus“, Schutzvogt und im Einverständnis mit dessen Lehensmann, dem Grafen Becelin (von Berburg) ruft der „dignissimus abbas“, der hochwürdige Abt Poppo die Hörigen von St. Maximin in Billiche/Biliacus wegen ihrer Weigerung die vorgeschriebenen Abgaben, die Zehnten und Frondienste zu leisten energisch zur Ordnung. Die Zehnten waren der Große Zehnt aus den Felderträgen; er war in der Regel in Naturalien (Getreide und Wein) zu entrichten. Der Kleine Zehnt -auch Blut- und Gemüsezehnt genannt- schöpfte den aus Viehhaltung und den Gärten erwirtschaften Ertrag ab; er wurde in Geld verlangt. Das Recht auf diese Zehnten und Dienste hatte die Abtei als Grund- und als Patronatsherr, dem auch die Kirche gehörte und der den Pfarrer, den „Leutpriester“ einsetzte. In dieser in barschen Ton abgefassten Ermahnung nennt Abt Poppo seine Untertanen ärgerlich „dure ceruicis ac pertinaciter rebelles“, „halstarrige und verstockte Rebellen“. Im Einzeln geht aus der Urkunde hervor, dass die Abtei in Billacus 60 mansionalia und curtilia besaß. Das waren größere Acker- und Weinbergsareale, die einzeln oder zu mehreren den Hörigen zugeteilt waren. Von deren Erträgen hatten die Hörigen jeweils am St. Paulinstag (31. August) Abgaben auch in Geld und in Wein zu leisten.

 

Alljährlich an Mariä Empfängnis (15. August) reiste der Ökonom des Klosters an, um den Behang der Weinberge zur Festsetzung der Weinabgaben zu schätzen. Die größte Weinbergslage war der nach Süden und Südwesten ausgerichtete Hang des über Wasserbilligerbrück aufragenden „Klaop“, das sind die heutigen Gewannen ”Auf dem Klopp“ und „Im Hinkel“ in der Gemarkung Langsur. In Oberbillig lagen die Wingerten im Ritschberg bis an den Graben des Wottelbach. Die Bezeichnung curtilia findet sich noch heute wieder im Namen der rd. 8,5 Hektar großen Oberbilliger Gewanne „In den Kehrten“ (auf Platt: „An de Kiirten“) die sich südwestlich der Ortslage auf 800 Meter Länge zwischen der Mosel und der B 419 erstreckt und in der Merterter Gewanne ”Kiirten“ im Bereich des heutigen Hafens. An Frondiensten werden den Hörigen aufgezählt: Ausbessern der Fischwehre (in der Mosel und in der Sauer), Roden von Drieschen zur Gewinnung weiteren Ackerlandes und Hand- und Spanndienste beim Bau und der Erhaltung der Mauern und Wehrtürme, mit denen der Hauptort, das heutige Wasserbillig befestigt war. Wer diesen Pflichten nicht nachkam, dem drohte eine schwere Geldbuße. Unter diesen Umständen werden die „Billicher“ das geflügelte Wort: „Unterm Krummstab läßt sich’s leben!“ eher als Hohn empfunden haben.

 

In dem um 1200 aufgestellten ausführlichen Güterverzeichnis von St. Maximin wird der Ort an der Sauermündung wieder mehrfach Billiche genannt. Dort ist auch Mertert aufgeführt als „Merchedicto ultra Suram“ (ultra Suram = das von der Sauer entfernter gelegene, aber auch als Merchedith und anders genannt) mit ausgedehntem Grundbesitz. Nach 1200 und das bis zum Ende des Alten Reiches war beim dortigen Maximiner Hof auch die Verwaltung der klösterlichen Besitzungen in Wasserbillig-Oberbillig und das Gericht. Dieses Schöffengericht sprach im Auftrag des Grundherrn Recht über säumige Schuldner. Unter den 14 Schöffen waren auch Oberbilliger Hörige. Der Oberbilliger Bann gehörte im frühen Mittelalter noch nicht insgesamt der Abtei, sondern zum Teil auch anderen Grundherrn. Das geht z. B. aus einer Schenkungsurkunde von 1292 hervor, mit der der Edelmann Peter von Mertert und seine Ehefrau Gerlandis der Trierer Abtei St. Maximin Grundstücke und Rechte in mehreren Orten hier Mosel-Saar-Raum vermachen, darunter auch welche in dem erstmals namentlich genannten „Overbilliche(Oberbillig). Die St. Maximin hörigen „Billicher“ hatten sowohl von ihrem Grundherrn auferlegten Pflichten als Ansprüchen seitens der Herrn von Berburg nachzukommen. Die nutzen ihren Stellung als Schutzvögte skrupellos aus, indem sie immer wieder ihre Rechte gegenüber St. Maximin ungerechtfertigt ausweiteten und das meist auch auf Kosten der klösterlichen Untertanen. Am 9. September 1311 wurde deshalb zwischen der Abtei und dem Ritter Johann von Berburg und seinem Sohn Wirich ein klärender Vertrag zur Festlegung der beiderseitigen Rechte abgeschlossen. Der Vertrag wurde von den Berburgern immer wieder gebrochen.

 

Hundert Jahre später hatte der Luxemburger Herzog Wenzel II. (1383 – 1411) unglücklicherweise sein Herzogtum an seine Nichte die Herzogin Elisabeth von Görlitz verpfändet. Wegen ihrer Verschwendungssucht in chronischer Geldnot hatte sie die Herrn von Berburg angewiesen, in Wasserbillig (Wasserpillich) unberechtigte Staßen- und Wasserzölle zum Nachteil der Trierer Hohen Domkirche, die auch anteiligen Grundbesitz in Wasserbillig hatte und der handelstreibenden Stadt Trier zu erheben. Deren Landesherr, Erzbischof und Kurfürst Otto von Ziegenhayn (1418 - 1430) ließ daher im September 1422 das befestigte Wasserbillig erobern und teilweise zerstören. Der Streit wurde mit der Abmachung des Kurfürsten mit Johann von Bayern, dem Gemahl der Herzogin vom 28. April 1423 vorerst beigelegt. In dieser Abmachung wird unsere Fähre erstmalig schriftlich erwähnt. Kaum waren die kurtrierischen Truppen abgezogen, renovierten die Berburger die Befestigungen, betrieben unberechtigt die Fähre und sie erhoben auf Weisung ihrer Herrin erneut die Zölle. Der Kurfürst eroberte daher im Juni 1424 wiederum Wasserbillig. Die Billicher auf beiden Seiten der Mosel mussten also nach nicht einmal zwei Jahren später wieder eine schlimme Drangsalierung über sich ergehen lassen.

 

In einer Urkunde vom 12. Juni 1478 wird Oberbillig wieder namentlich genannt und zwar diesmal als „Ouerpilch“ (Overpilch). Es geht da um eine Bürgschaft, die Heyn Stomp aus Ouerpilch sein Schwager Peter Kraep und Hans von Rode für Johann Paffen aus „Pilch“ (Wasserbillig) übernehmen.

 

In den folgenden Jahrhunderten hatte das Moselland immer wieder unter Kriegen zu leiden. Im 17. Jahrhundert wütete der Dreißigjährige Krieg (1618-1648). In den 1630er Jahren hinterließen die Kämpfe der kaiserlich-spanischen Söldner mit den Truppen des französischen Königs Ludwig XIII. um die Stadt und das Kurfürstentum Trier schlimme Verwüstungen. Schiffe mit Soldaten und Kanonen auf der Mosel und durchziehende Heere werden ein gewohnter Anblick. In Wasserbillig-Oberbillig sank die Zahl der Haushalte von 42 auf 32. Auch in den folgenden sechs Jahrzehnten nach dem Westfälischen Frieden Jahren ließ der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. immer wieder das Moselland besetzen.